Haben Sie sich auch schon mal darüber geärgert, dass man sich bei immer mehr Firmen nur noch über ein Online-Formular bewerben kann?
Sicher, Personalvermittler, interne oder externe HR-Fachleute haben eine große Erleichterung bei der Arbeit, wenn alle Eingaben bei der Online-Bewerbung von den Bewerbern vorgenommen werden und sie nur einen Schlüsselwortalgorithmus für die Daten ausführen müssen. Zusätzlicher Vorteil: Sie haben dann das Häkchen bei GPRS gesetzt mit der Erlaubnis, die Daten für eigene Zwecke zu verarbeiten.
Was heißt das für den Bewerber – und was ist der denn dann überhaupt? Gehört der zu den angeblich so dringend gesuchten Fachkräften, um die sich alle bemühen? Oder wird er durch die maschinelle Bearbeitung nicht zunächst einmal zu einem ausdruckslosen Datensatz anonymisiert, reduziert auf die Felder, die das Unternehmen in erster Linie interessieren? Wer steht denn dann eigentlich im Mittelpunkt des Interesses, der Gesuchte oder der Suchende?!
Digitales Recruiting mag für Standard-Profile und Jobs „von der Stange“ ein adäquat effizientes Mittel der Wahl sein. Für die meisten höheren oder spezielleren Qualifikationen schneidet es aber das, was einen guten von einem durchschnittlichen Kandidaten unterscheidet, einfach weg. Jede individuelle (Zusatz-)Qualifikation wird ja nicht abgefragt. Der persönliche Stil und eine gepflegte Ausdrucksweise, die schnelle Unterscheidungsmöglichkeit von echtem Interesse an der Aufgabe und Unternehmen und einem Standard-Bewerbungsbrief, fällt „auswertbaren“ Stichworten zum Opfer. Dabei kritisieren wir doch immer, dass viele Menschen sich nur noch in verkürzter Messangersprache artikulieren…!
Besonders bei Führungspositionen, wie z.B. bei Projektmanagern, gibt es so viele Facetten, Levels und Erfahrungshintergründe, dass sich eine Bewerbung gar nicht standardisieren lässt, sondern gerade von ihrer Individualität „lebt“. Und, was ein Online-Formular gar nicht kann: Es bietet keine Möglichkeit, durch Fragen und Antworten die gegenseitigen Erwartungen abzustimmen. Das geht erst, wenn es der Einheits-Fragebogen durch die Maschine zu einem Interview geschafft hat – viele gute Bewerber sind da oft schon aussortiert.
Deshalb habe ich mich entschieden, mich auf Stellenausschreibungen, bei denen keine Ansprechperson mit Telefon oder eMail dabeisteht, nicht mehr zu bewerben. Zwar suche ich keine Festanstellung, habe aber schon manchem Unternehmen ad interim ein schnelleres Time-to-ROI ermöglicht, bis ein geeigneter interner Kandidat gefunden war, den ich dann auch noch effizient und schnell eingearbeitet habe.
Überlegen Sie also mal, wie Sie qualifizierte Fachkräfte attraktiv und effektiv (nicht nur kostengünstig) ansprechen wollen. Es lohnt sich !
Lesen Sie mehr Lessons Learned…
Hallo Henning,
der Aussage „Online Bewerbung nein Danke“ kann ich zu 100% zustimmen. Eine meiner Erfahrungen mit Online Bewerbung war Folgende:
Ein Recruiter suchte ASAP in XING einen Projektleiter für einen Energieversorger in München. Das Projekt hörte sich spannend an und so wollte ich mich ins Gespräch bringen. Leider gab es aber nur die berühmte Online Bewerbung, d. h. eine anonymisierte E-Mail Adresse Bewerbung@.., in der dann alles landet. Auch kam man an den Recruiter nicht direkt heran, da keine direkte E-Mail-Adresse oder Telefonnummer verfügbar war. Ich schickte trotzdem mein Kurzprofil an den digitalen Briefkasten. Wie zu befürchten, hörte ich über eine Woche nichts, weder Ihr Profil ist eingegangen, noch sonst irgendetwas.
Dann rief ich in dem Unternehmen an. Dort sagte mir eine freundliche Dame, dass ihre Telefonlage gerade defekt sei und sie mich daher nicht durchstellen könne. Dann sagte ich ihr, dass sie mir doch bitte die Direktwahl des Recruiters oder die E-Mail-Adresse geben möge. Hierzu sagte sie, dass sie die Daten nicht herausgeben dürfe. Ok, dachte ich mir ein Personalvermittler mit dem man nicht Reden oder den man nicht erreichen kann, ist ja auch mal eine spannende Sache. Ich war dann aber hartnäckig und fragte die Dame, was ich denn jetzt tun kann? Daraufhin sagte mir die Dame, dass bei Ihnen im Unternehmen die E-Mails alle einer Namenskonvention genügen: Den Vornamen, einen Punkt und dann den Nachnamen, gefolgt vom Unternehmensnamen mit de am Schluss. Aus XING wüsste ich ja den Vor- und Zunamen des Recruiters. Diese Information hätte ich aber natürlich von ihr, da sie wie gesagt keine Informationen heraus geben darf. Ich bedankte mich bei der pragmatischen Dame und schrieb den Recruiter direkt an, mit der Bitte sich bei mir zu melden.
Wie zu erwarten, habe ich nie wieder etwas von dem Unternehmen gehört. Von daher: Online-Bewerbung, nein danke!
Lieber Oliver,
immerhin hattest Du schon mal eine eMail-Adresse, an die Du Deine individuelle Bewerbung schicken konntest. Viele Firmenportale bieten ja nicht einmal das, sondern nur das anonyme Formular. Deine Erfahrung mit “professionellen” Recruitern teile ich leider auch und habe mir mittlerweile eine Blacklist angelegt. Auf Anfragen von solchen “Fleischhändlern” antworte ich gar nicht mehr. Für was aber viele Unternehmen lieber diesen CV-Schiebern teilweise unverschämte Provisionen zahlen, statt gute Leute direkt zu rekrutieren, bleibt deren (teures) Geheimnis…