Im ersten Teil meines Beitrags habe ich aufgezeigt, wie speziell Großunternehmen und die Öffentliche Hand Misserfolge, Verspätungen und Kostensteigerungen in ihren Projekten und Investitionen durch Fehler bei der Besetzung ihrer Projektmanagement-Positionen geradezu vorprogrammieren. In diesem zweiten Teil gehe ich nun näher darauf ein, warum dort später diesen Krisen-Projekten nicht oder nur unzureichend geholfen wird, um wieder in die Spur zu kommen.
Wie gehen nun die Unternehmen und ihre verantwortlichen Manager mit diesen „suboptimalen“ Projektergebnissen um, wie verhalten sie sich, wenn Projekte dann in Schieflage geraten? Das ist vor allem von der Unternehmensführungskultur und –Struktur abhängig. Hier entscheidet sich, ob, wann und wie strauchelnden Projekten geholfen wird.
Mittelständler suchen Fehler oft an der falschen Stelle
In mittelständischen, unternehmergeführten Betrieben schaut der Chef lange Zeit zu, unterstützt eventuell auf der fachlichen Seite mit seinem Knowhow. Andererseits ist hier aber oft die kritische Größe für gut ausgebildete (Vollzeit-)Projektmanager nicht erreicht. Die PMs leiten meist mehrere Projekte gleichzeitig und sind außerdem auch intensiv in anderen Firmenaktivitäten von Pre-Sales über Technik und Design bis hin zur Administration eingebunden.
Probleme werden fast immer auf der technischen Seite vermutet, fast nie beim (Projekt-)Management. Also wartet der Chef meist auf den Durchbruch mit gleichbleibendem Setup oder entscheidet den Abbruch, wenn’s endlich zu teuer geworden ist: Eine immens kostspielige „Selbstheilung“ oder Total-Abschreibung! Die dritte Alternative der Änderung des Setups und beim Projektmanagement und damit der wahrscheinlichen Rettung eines Deckungsbeitrages ist mangels eines Blicks nach Lösungen von außen („die wissen ja gar nicht, wie das bei uns läuft“) meist gar nicht auf dem Radar.
Es gibt aber auch die erfolgreichen Ausnahmen, in denen dem Chef das viele verbrannte Geld Leid tut und er sich doch beherzt den Ratschlag von externen Experten holt. Wenn er das früh genug tut, besteht meist sogar berechtigte Hoffnung auf Erfolg des Projekts und Zugewinn an Lehren für die Zukunft.
Träge Konzerne und Behörden
In größeren Unternehmen mit mehreren Hierarchie-Ebenen zwischen Geschäftsführung und Arbeitsmanagement finden wir andere Mechanismen. Das Projekt-Staffing folgt oft festgelegten Prozessen, z.B. über den Einkauf wie im ersten Teil beschrieben. Für Projektmanagement gibt es genügend Anwendung, um auch einige gut ausgebildete Hauptberufliche zu beschäftigen.
Das hängt aber vielfach von der Branche ab: in technischen Unternehmen überwiegt noch der Projektingenieur, bei Dienstleistern gibt es schon eher Projektmanager. Ob das Unternehmen in Projektmanagement-Ausbildung und Unterstützung der Projekte durch die Organisation investiert (und damit in die Qualität und Rentabilität seiner Projektergebnisse), ist sehr individuell eine Frage der Wertschätzung und strategischen Prioritäten der Unternehmensführung.
Geraten Projekte in diesen Unternehmen in Schieflage, ist die Reaktion abhängig von der Unternehmenskultur. In stark gegliederten Unternehmen werden Probleme oft so lange unter der Decke gehalten wie irgend möglich, derweil an einer „karriereneutralen“ Exit-Strategie gearbeitet wird. Im Allgemeinen wird dann ein Schuldiger gefunden und mit den gleichen Mitteln, die in die Krise geführt haben, weiter gemacht, bis die höheren Ebenen aufmerksam werden und das Projekt stoppen.
Die Abbruchrate ist in solchen Unternehmen signifikant höher als die Zahl der Versuche, die Projekte zu sanieren. Hier wird die Mehrzahl der für die schlechte Statistik verantwortlichen Projekt-Misserfolge und –Abbrüche produziert, aber nicht, weil die Möglichkeiten zur Rettung nicht vorhanden wären, sondern weil Transparenz gefürchtet und Management-Aufmerksamkeit zu wenig gegeben ist.
Ähnliche Verhaltensmuster finden sich in fast allen Projekten der Öffentlichen Hand. Beim Projekt-Setup und der Ausschreibung wird größter Wert auf die Einhaltung der Vorschriften (VOB, HOAI usw.) gelegt, Projektmanagement wird oft als Teil der Gewerke mit vergeben, Kontrolle findet von Seiten des Auftraggebers selbst mangels eigener Kompetenz nicht statt. Wozu auch? Laut Aussage eines bekannten Berliner Politikers sind ja Überschreitungen der Planungen von 30% „völlig normal“! Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich auch immer wieder noch toppen lässt…
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Hoffnung besteht hauptsächlich bei den Mittelständlern und Großunternehmen, deren „flache“ Hierarchie eine Übersicht über und ein Engagement des Managements für seine Projektaktivitäten zulässt, und in denen ein Grundverständnis für die Bedeutung und die Anforderungen von Projekten für das Unternehmen zu finden ist. In einigen Fällen habe ich auch schon zu einer strategischen Ausrichtung der Organisation selbst auf eine effektivere und effiziente Unterstützung von Initiativen und Projekten verhelfen dürfen. In jedem Fall werden hier Projektmanager durch Sponsoren aus dem Executive-Level ein- und Projekte zusammen mit den Fachabteilungen aufgesetzt.
Durch die höhere Aufmerksamkeit und Übernahme von Verantwortung des Managements für ihre Projekte (=Investitionen) werden Probleme schneller erkannt. Nun liegt es nur noch an der Fähigkeit, die eigenen Möglichkeiten zur Sanierung richtig einzuschätzen, und dem Willen, bei internen Lücken, Kapazitäts-Spitzen oder verfahrenen Positionen auf externe Expertise zurückzugreifen, um frühzeitig (dann noch) günstige Optionen zur Rettung von Time-to-Market und ROI wahrzunehmen.
„Geht doch!“ müsste man sagen, wenn nicht die Erkenntnis, mit den eigenen Mitteln die Grenzen des selbst Machbaren erreicht zu haben, bei den betroffenen Projekt-Mitarbeitern und -Leitern in der Mehrzahl der Fälle stärker und schneller da ist als bei den Geld- und Auftraggebern im Management. Die Erfahrung zeigt leider auch, dass es dort eher am Eingeständnis des Kontroll- und Gesichtsverlusts scheitert als am Business Case, mit einer Sanierung viel mehr zu sparen als ohne sie weiter verbrannt wird. Und so werden wohl auch weiterhin viele erfolgversprechende Investitionen und Projekte unnötig, aber erfolgreich verhindert werden…
Stimmt!
Ihr Beitrag könnte auch von uns sein, da auch wir im Schwerpunkt für Konzerne arbeiten.
Leider gibt es in den Linien der Großen nicht den gerne und oft zitiierten “Unternehmer im Unternehmen”.
Geht wohl auch gar nicht bei Bereichsdenken (= Zielvorgaben), Matrix und immensen Hierarchiebäumen.
Manchmal hat man aber auch Glück, und es findet sich ein Promotor der oberen Führungsebene … was aber oft eines jahreslangen Netzwerken im Management eines Konzerns bedarf.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Wollenschläger
Externe Projektbetreuung gleicht der externen Baubetreuung im Hochbau. Man kann in Bauverträgen 35% des Architektenhonorars sparen oder damit extern beratende Ingenieure in das QM als Bauüberwachung einbinden. Ein großer Vorteil externer Beratung ist die hierarchiegemilderte Einflußnahme auf die Sicht der Dinge. Der Fachbereichsleiter erleidet keinen Gesichtsverlust, wenn er sich Details vom externen Berater erläutern läßt, statt von seinem eingesetzten Projektleiter. Konkurrierende IT-Interessen lassen sich gegenüber dem Fachbereich abfedern, moderieren. Unpopuläre Sofortmaßnahmen können besser platziert werden, da keine unmittelbaren Machtinteressen im Vordergrund stehen. Wichtig ist die Führungskompetenz, zu erkennen, daß nur externer Beistand dem Unternehmen Mehrwert bringt. Denn, wenn es philosophisch keine Wahrheiten gibt, können nur unterschiedliche interessenneutrale firmenferne Sichten den Projektkurs erfolgreich steuern. Hier gefiel mir immer die NASA-Formel, Genauigkeitserhöhung erfolgt nur im Quadrat der Anzahl momentan beschäftigter Projektmitarbeiter.
Freundliche Grüße
Dieter Gennburg