Erst kürzlich habe ich wieder in einem Projekt erlebt, wie’s menschelt: Wir waren prima unterwegs, sogar vor dem Plan und under budget. Nicht zuletzt deshalb, weil wir uns mit Disziplin strikt an die Regel gehalten haben: keine Änderung ohne genemigten Change Request.
Tja, was soll ich sagen? Und dann schleichen sich doch plötzlich kurz vor Abschluss der Arbeiten ein paar Wünsche zur Verbesserung ein, die man doch „gerade so mal nebenbei“ noch machen könnte. Natürlich zwischen Tür und Angel und am Projektmanager vorbei. Aber der hat’s doch gemerkt: am Change Request, der vom Lieferanten prompt auf den Tisch flatterte. Und siehe, da kamen bei näherer und etwas übergreifender Betrachtung ein paar Streuwirkungen an anderer Stelle hervor, die natürlich „im Hinterzimmer“ keiner auf dem Radar hatte…
Was lernen wir daraus? Man kann als Projektmanager nicht überall sein, ok. Und Entspannung führt wie im richtigen Leben gerne auch mal zum „Sich-gehen-Lassen“, das ist wohl menschlich. Umso wichtiger ist es (wie im Sport), die Disziplin und Motivation zu halten, auch in Zeiten, in denen alle Signale scheinbar auf Entspannung stehen.
Und natürlich muss der Projektmanager immer mit aller Authentizität als gutes Beispiel voran gehen, denn wenn er nachlässig wird, färbt das nicht nur ab, sondern macht ihn auch selbst unsensibel für die Schwächen in seinem Team!
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Was mich aber noch viel mehr interessieren würde: was haben Sie dann gemacht als der CR auf den Tisch kam? Einfach abgelehnt? Not according to rules? Oder diplomatischer? Und wie kam das dann beim Kunden an?
Guter Einwand! In dem Fall war es sogar ein Zusammenspiel von Fachberater und Business Owner, die da mal eben noch etwas „Wunschliste“ gespielt hatten. Die Ausführung habe ich zunächst einmal kassiert. Wir hatten ein „Eskalations-Meeting“, in dem ich noch einmal den Sinn und Zweck des Change Request Verfahrens erklärt und insbesondere die Gefährdung des planmäßigen Produktivsetzungs-Termins durch unkontrolliert einfließende und die Restarbeiten verzögernde Zusatzarbeiten aufgezeigt habe. Ich war wohl überzeugend.
Um aber der Sache die Spitze zu nehmen: Wir haben einen regulären Change Request aufgesetzt, und weil der Änderungswunsch einen Mehrwert gebracht hat, ist der auch in einer Schnellentscheidung des Lenkungsgremiums bestätigt worden. Keine Verlierer, aber (hoffentlich) ein Erkenntnisgewinn und Lessons Learned für Team und Business.
Der Einwand bringt mich aber zu einer immer wieder neu auftauchenden Frage, für die ich auch nach 28 Jahren Projektmanagement keine abschließende Antwort habe: Man kann noch so wasserdichte Prozesse vereinbart haben, und dennoch gibt es immer wieder Stakeholder, die sagen: „Wir brauchen das aber. Wieso dann dieser bürokratische Aufwand?“, oder die in diesem tiefen Bewusstsein einfach die Umsetzung beauftragen. Wie ich das regele ist klar, aber wie bekomme ich den Sinn, warum es keinen Weg an der Regel vorbei geben darf, für jeden verständlich in alle Köpfe, am besten von Anfang an? Womit haben Sie da gute Erfahrung gemacht?