Eigentlich ist Problemprojekte Sanieren kinderleicht. Denn die Ursachen sind meist genauso trivial wie die Lösungen zur Projektsanierung.
Der Klassiker
Ein Projekt streitet sich mit den beteiligten Fachabteilungen um Ressourcen. Es braucht gute Leute mit Ahnung von der Materie, die Linie braucht die aber auch und will – wenn überhaupt – nur die, die eh nur auf der Bank sitzen, abgeben. Ein Klassiker. Am Ende verlieren beide, weil’s so nicht wie geplant voran gehen kann. Eigentlich logisch, oder? Die Lösung: Die Fachabteilungen wollen doch etwas vom Projekt. Also setze man sie in den Driver Seat, mache sie zu den „Product Ownern“, nehme sie für das Projekt in die Verantwortung !
Oft sind die Probleme offensichtlich, aber der Mandant „wehrt“ sich gegen die Lösung.
Ein Projekt im „quasi-öffentlichen“ Dienst stand etwa 6 Wochen vor dem geplanten Go-Live. Der war schon mehrfach verschoben (gesamte Projektlaufzeit bis dato ca. 1 ½ Jahre) und das Budget weit überzogen worden. Bereits im Vorgespräch in der Videoschalte erfuhr ich, dass die Projektverantwortlichkeiten, Rollen und Zuständigkeiten bisher nicht abschließend geklärt seien, der IT-Dienstleister seinen Part daher auch nicht wie auch immer geplant abliefere und der Go-Live jetzt aber unbedingt eingehalten werden müsste. Also da hätte ich doch mal eine Idee…
Pikanterweise gab man sich sehr budgetsensibel wegen Freigabeverfahren usw. und entschied sich zur Projektsanierung für „eine billigere“ Lösung. Wenn’s ja nicht wieder Steuergelder wären, könnte es mir egal sein!
Apropos Budget – ein weiteres Beispiel:
Ein großer Energieversorger hatte ein geschäftskritisches Projekt (ich wusste schon, dass es für die Projektsanierung ein Programm werden würde) zur Einführung einer sehr speziellen Software vor. Dafür gibt’s nicht so viele Projektmanager mit ausreichender Erfahrung, aber ich hatte das schon zweimal erfolgreich gemacht. Allein der für Projektmanagement vorgesehene Tagessatz war für einen durchschnittlich guten Projektleiter ohne Spezialskills angemessen, man wollte aber das Budget nicht „unnötig“ anheben. Schon bei dieser Entscheidung hat man de facto das Projektbudget unnötig und deutlich erhöht…
Ich kann also auch nicht jedes Projekt retten oder vor dem Krisenfall bewahren, insbesondere wenn man mich nicht lässt. In diese Kategorie fallen auch Zwei weitere Fallbeispiele. Hier hatte ich allerdings bereits einige Zeit für Sanierungsmaßnahmen.
(Über)lebenswichtige Maßnahmen wegen Ressourcenmangel eingestellt
Beim ersten haben wir mit der Geschäftsleitung und einer kleinen Truppe Engagierter einen großen Ideenkatalog aufgestellt, wie wir in einem reifen Markt unseren AfterSales mit viel Kundennutzen so aufstellen könnten, um dieses lukrative Geschäft zu intensivieren und Marktanteile zu sichern und auszubauen. Allen war klar, dass dies trotz technologischer Führerschaft notwendig sein würde, wenn wir in ein paar Jahren noch marktrelevant sein wollten.
Ich habe diese Ideen in Initiativen und Projekte formuliert und aufeinander aufbauend als Programm strukturiert. Ein paar davon haben wir sogar umzusetzen begonnen. Dann meinten ein paar Geschäftsführer von Niederlassungen in Schwellenländern, es ginge doch auch so ganz gut in ihren Märkten und sie hätten zu wenige Ressourcen. Die Budgets wurden gestrichen, das Unternehmen war zu „lean“ aufgestellt, um die Projekte durchzuführen.
Projektsanierung hieße hier: Man sollte halt im Sommer die Säge schärfen, damit man vor Einbruch des Winters in den Wald gehen kann und nicht auf der Hand liegende Chancen vergeben muss.
Nicht verstehen (wollen) und zu viel auf einmal wollen
Beim zweiten Case ging es um einen aus dem Ruder (organisatorisch wie auch finanziell) laufenden Geschäftsbereich eines Maschinenbauers, der anhand von wenigen Pilot-Aufträgen von Kunden neue, zukunftsträchtige Produkte auf den Markt bringen wollte. Entwicklungsprojekte und Kundenprojekte liefen aber recht unsynchronisiert, lange Verzögerungen auf zugesagte Termine und zunehmender Kundenunmut waren die Folge mit dem Risiko von hohen Pönalen, dem Verlust der Serienaufträge und des Vorsprungs am Markt. Wir hatten einfach zu wenige Ressourcen für immer mehr (zusätzlich zu den Piloten hereingenommene) Kundenprojekte, und die Entwicklungsprojekte kamen mit ihrer Arbeit – mit den gleichen Ressourcen – nicht hinterher. Der Ursache-Wirkung-Mechanismus ist klar, oder?!
Ich habe mich also zur Projektsanierung als Programmmanager daran gemacht, im Geschäftsbereich Strukturen, Werkzeuge und Prozesse zur Steuerung von Ressourcen, Abhängigkeiten, gemeinsamen Risiken und der Kommunikation untereinander zu etablieren – nach der Devise „einen Zaun bauen, und dann die Hühner einfangen“. Es hatten sich sodann unter meiner Moderation bereits Kreise gebildet, die eine bessere Abstimmung der Kunden- und R&D-Projekte betreiben wollten. Das Recruiting für kritische Ressourcen war angelaufen, und für die Softwareentwicklung, die immer wieder die Fertigstellungstermine umwarf, hatte ich Projektaudits vorgesehen.
Dann wurde mein Auftrag nicht verlängert. Die Bereichsleitung hatte nicht verstanden, was ich da tat, was Programmmanagement heißt, was notwendig zu tun war. Sie war mehr mit der Außendarstellung zum Vorstand als mit den Inhalten des Programms beschäftigt und sah mich vielleicht auch als potenzielle Konkurrenz an. Obwohl wir bereits total überlastet waren, nahm sie, während sie die Situation dem Vorstand beklagte, drei weitere Kundenprojekte „die man nicht ablehnen konnte“ an, in der Hoffnung, damit schönere Zahlen für den Bereich zu generieren. Ich drücke den Kollegen die Daumen…
Jede Beratung kann nur so gut sein, wie der Beratene es zulässt.
Manchmal bringt sie ja auch einfach nur zu viel Transparenz, unbequeme Wahrheiten und/oder unangenehme Must-Dos mit sich – vor allem wenn Dinge so offensichtlich und trivial sind. Das Leben schreibt wirklich die besten Geschichten zum Erzählen. Es gibt aber auch die guten Beispiele ohne Beratungs- und Lernresistenz, und die bringen Unternehmen und Mitarbeiter weiter ohne je das Gefühl zu haben, gutes Geld schlechtem hinterher zu werfen.
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