Oft werde ich gefragt, woran man erkennen kann, ob ein Kandidat für eine Projektleiterstelle sein „Handwerk“ kann oder nicht. Das kann man natürlich erst wirklich wissen, wenn man mit ihm/ihr zusammenarbeitet. Aber im Laufe meiner vielen Jahre im Projektmanagement glaube ich, ein paar „Patterns“ zu wissen, die zumindest Hinweise auf die Qualität geben können.
Selbstorganisation und Strukturiertheit
So kann man sicherlich ein Projekt nur dann strukturiert und zielgerichtet leiten, wenn man selbst eine gute Selbstorganisation und Strukturiertheit besitzt. Ein gutes Ablagesystem zum Finden von Information allgemein und sinnvolle Projektablagen im Speziellen sowie ein guter Überblick sind für mich Grundvoraussetzungen, bei einem Projekt „on top“ zu sein und zu bleiben, auch wenn’s mal etwas brenzlig wird.
Oftmals genügt schon ein schneller Blick auf den Desktop eines Bewerbers. Ist der überfüllt, mit vielen ungeordneten Icons/Verknüpfungen, oder organisiert, geordnet nach den wichtigsten Arbeitsthemen? Gleiches gilt für die Outlook Inbox. Ist die aufgeräumt, abgearbeitet und/oder sortiert in eine strukturierte Ablage, oder überfüllt mit vielen ungelesenen Nachrichten? Daran kann man schon ganz gut erkennen, wie jemand arbeitet…
Methodik und Praxis
Oft sieht man aber schon im Bewerbungsschreiben einige Hinweise auf das Bewerberlevel. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich kenne eine Menge guter Projektmanager ohne Zertifikat und auch viele mit einem solchen, die aber von Projektmanagement keine Ahnung haben. Immerhin geben erworbene Zertifizierungen einen Hinweis auf eine mehr oder weniger fundierte Ausbildung. Die dabei vermittelten Best Practices geben überdie die Möglichkeit zur Selbstreflexion des eigenen (Projekt-)Handelns. Autodidakten hatten hingegen nur dann eine Chance zum gedeihlichen Lernen, wenn sie auch gute Vorbilder hatten…
Im Bewerbergespräch erfährt der im Projektmanagement geübte Interviewer auch, ob der Kandidat seine Methodik(en) verstanden hat und situativ, d.h. mit einer gewissen Auswahl und ohne Dogmen anwendet. Evangelisten ersetzen nur die Irrtümer des einen mit denen eines anderen Ansatzes.
Und natürlich sollte der Lebenslauf bzw. die Projekthistorie des Kandidaten auch Aufschluss über die erfolgreiche Ablieferung, also im Zeitplan, im Budget und in der erwarteten Qualität, vergangener Projekte geben. Andernfalls muss man das gezielt hinterfragen.
People Skills
Die sogenannten “weichen” Faktoren werden in ihrer Erfolgskritikalität gern unterschätzt. Das gilt insbesondere dann, wenn man Fachspezialisten zu Projektleitern „hochlobt“. Tatsächlich ist jedoch einer der Hauptaufgaben des Projektmanagements, Mitarbeiter zu motivieren und Zusammenarbeit zu fördern. Da die Teammitarbeiter in der Regel ihre Aufgaben möglichst ungestört erledigen möchten, gehört dazu z.B. auf wenige und gut strukturierte Meetings zu achten. Zeigt der Bewerber einen Hang zum Micro-Management (wie es oft bei Projektleitern aus der technischen Fachmannschaft auftritt), so wird er seinen Job als Projektmanager schnell vernachlässigen. In Krisensituationen wird er sich wahrscheinlich auf sein Fachgebiet zurückziehen. Projektmanagement fällt dann hinten runter. Gute Teamplayer setzen dagegen auf Eigenverantwortung, Rollen und Delegation und halten die Ergebnisse strukturiert nach.
Nicht jeder Kandidat besitzt zudem die zweite wichtige „weiche Zutat“, nämlich Führungsqualität. Diese muss ein guter Projektmanager sowohl gegenüber Mitarbeitern als auch in Richtung seiner Entscheider/Vorgesetzten haben. Der Fokus sollte dabei auf guten Entscheidungen, die das Projekt vorwärts bringen, liegen. Überhaupt zeigen gute Projektmanager ganz allgemein ein ausgeprägtes Stakeholder und Change Management, und sie reden Tacheles !
Im Bewerbergespräch achte ich zudem auf Augenkontakt, Verbindlichkeit und Konsequenz, die Indikatoren für gute Führung sind. Um aus Mitarbeitern ein erfolgreiches Team zu machen, braucht es auch im Projektmanagement ganz viel Authentizität, das, was man einfordert, auch selbst vorzuleben…
Im Vorstellungsgespräch
Leider treffe ich in Vorstellungsgesprächen sehr oft auf Bewerber, die sich vielleicht über die Webseite etwas auf das Unternehmen vorbereitet haben, zum ausgeschriebenen Job jedoch nur wenig bzw. sehr allgemein gebrieft sind. Das mag auch in vielen Fällen mit dem vorgeschalteten Auswahlprozess, z.B. über Recruiter oder den Einkauf zusammenhängen. Damit erhält man leider oft die Billigsten statt die Besten…
Ein Kandidat für eine Projektleiter-Position muss kein ausgesprochener Fachmann sein (s.o.), wichtig sind aber eine Affinität und ein Interesse an der Aufgabe, am „Betreff“ des Projekts.
Opportunistische Bewerber oder solche, die sich mal „anders als bisher“ beweisen wollen, lehne ich grundsätzlich ab. Hingegen honoriere ich die altbekannten Tugenden für Potenzial: Motivation, Neugier, Scharfblick, Engagement und Entschlossenheit.
Ein interessierter Kandidat versucht sein Verständnis zum Projekt und den Erwartungen des Auftraggebers zu vertiefen. Mich interessiert da vor allem genauer Projektinhalt und –umfang, auch z.B. ob es sich um Green Field oder Brown Field Projekt, eine Erstinstallation oder eine Migration von Legacy handelt usw.
Das Projekt Setting, etwa Unternehmen, Branche, Status, Lieferanten, Stakeholder, Teamgröße und ‑Zusammensetzung, ob man dedizierte Mitarbeiter im Projekt hat und ob diese an einem Ort oder virtuell verbunden arbeiten usw. ist für das Einordnen und die Beurteilung der zu übernehmenden Aufgabe essenziell.
Weitere Fragen des Kandidaten sollten die Report- bzw. Eskalationswege im Projekt und seine eigenen Kompetenzen klären. Etwa ob eine Doppelspitze mit einem technischen Projektleiter oder mit dem eines Lieferanten vorgesehen ist. Und schließlich sollte Klarheit über die Modalitäten des eigenen Ramp-ups bis zur Übernahme der Projektverantwortung erzielt werden.
Selbstredend sollten der Interviewer bzw. die Gesprächspartner im Interview auf all diese Fragen auch selbst ausreichend vorbereitet sein. Und vielleicht sollte man auch bereit sein, nach der genauen Auftragsklärung auch noch einmal über den Preis zu reden. Die von vielen Vermittlern verlangte Honorarangabe ohne vorherige, genügende Aufgabenprüfung halte ich für unseriös…
Profiling zur Vorbereitung
Den richtigen Projektmanager für ein Projekt zu finden ist offensichtlich kein Zufall sondern braucht gute Vorbereitung. In den Sanierungsprojekten, die ich wieder auf den „Pfad der Tugend“ zurückführe, übernehme ich selbst oft die Suche nach einem geeigneten internen Nachfolger und wende die oben genannten Kriterien an. Aber auch für Projekte, die erst noch aufgesetzt werden sollen, ist die Checkliste sicher hilfreich. Außerdem kann man sich dabei auch professionell unterstützen lassen. Schauen Sie einfach mal bei https://pm-professionals.eu/?page_id=109 nach, wie.