In vielen meiner Beiträge habe ich versucht, Ihnen die Wurzeln schlechter Projekte vor Augen zu führen: Mangelnde Wertschätzung und Bewusstsein für den Wert von gutem Projektmanagement in den Unternehmen. Nun möchte ich mich ein wenig den Erfahrungen widmen, wie sie sich mir in meiner Projektsanierung-Praxis immer wieder darstellen.
Überschätzte Technik
Es gibt eine Menge Studien über Probleme und Ursachen, warum Projekte schiefgehen. Um es gleich vorweg zu nehmen: technische Probleme machen nur einen ganz geringen Teil, nämlich ca. 10%, dabei aus. Trotzdem suchen die meisten Verantwortlichen im Management und in den Projekten selbst zuerst und besonders hier. Das ist vor allem in stark Engineering-lastigen Projekten zu beobachten.
Vier Hauptursachen
Das Problem ist also meist nicht technischer Natur, sondern es gibt vier Hauptfaktoren, die nach meiner langen Projekt- und Projektsanierungs-Erfahrung immer wieder zu Schieflagen in Projekten führen:
- der Mensch „Projektleiter“,
- mangelhafte Unterstützung der Projekte durch das Unternehmen bzw. die Organisation,
- nicht genügend Zeit, für das Projekt und/oder das Projektmanagement und
- die Aufgabe selbst, insbesondere ihre Komplexität.
Die in den einschlägigen Statistiken meist genannten Faktoren Kommunikation, Mitarbeiter bzw. Skills, unklare Anforderungen usw. überschneiden sich damit, sind aber m.E. Auswirkungen der von mir gewählten Ursachen-Cluster.
Schwaches Projektmanagement ist ein Produkt schwacher Management-Entscheidungen
In einer meiner Fallstudien (https://eobz.de/?p=1451) hatte man einen „erfahrenen“ Projektingenieur, eine Koryphäe in seinem Fachgebiet, zum Projektleiter berufen, der in seiner Forschung aufging, aber zu Projektmanagement und Mitarbeiterführung keinen wirklichen Draht hatte. Die „menschliche“ Folge: Er investierte den Großteil seiner Zeit und Aufmerksamkeit in das Produkt, während die Planung und Koordination des Projekts hinten runter fiel. Als das Projekt zum Krisenprojekt wurde, fokussierte er sich auf das, was er am besten konnte – und wieder litt das Projektmanagement.
Wenn Sie das Managen Ihrer Projekte ernst nehmen – und das sollten Executives ebenso wie das Managen ihres Unternehmens – dann sollte klar sein, dass Mitarbeiter durch ihre Teilnahme an mehreren Projekten nicht automatisch zu guten Projektleitern werden. Bestenfalls werden sie so gut wie ihre Vorbilder, aber vielleicht schauen sie sich dabei ja sogar schlechte Praktiken ab.
Gutes Projektmanagement kann man lernen
Wenn man ein Projekt erfolgreich leiten will, braucht man dafür wie in anderen Berufen auch eine methodische Ausbildung, die das Erkennen der Erfordernisse in der jeweiligen Projektsituation und den situativ sinnvollen, virtuosen Umgang mit den einschlägigen Werkzeugen einschließt. Das ist gewissermaßen wie bei einem Handwerk, und so gibt es auch im Projektmanagement Lehrlinge, Gesellen und Meister.
Einem guten Projektmanager wären daher die Fehler in unserem Beispiel nicht unterlaufen, denn er hätte sich in seinem und im Projektinteresse von Anfang an um eine klare Ziel- und Aufgabendefinition gekümmert und die Unterstützung seiner Vorgesetzten konsequent eingefordert. Seine Planung hätte auf realistischen Annahmen gefußt, und er hätte Risiken und Abweichungen frühzeitig erkannt, eskaliert und gegengesteuert.
Projektmanagement ist eine Führungsposition
Damit er das auch tun kann, braucht er noch einen weiteren Skill: Führungsqualitäten. Er ist der Manager seines Projekts, er verantwortet das Ergebnis und muss sein Team und auch seine Chefs so steuern, dass jeder seinen Teil zum Ganzen einbringt. Keine leichte Aufgabe, besonders wenn das Unternehmen nicht projekt-affin tickt. Und nicht jeder ist der Mensch für eine Führungsrolle, fühlt sich darin wohl. Wenn er aber seinen Job ernst nimmt, wird er Projektmanagement inklusive Führung konsequent anwenden. Andernfalls wird er bald zum Sündenbock, wenn das Projekt schiefgeht. Keine sehr motivierende Perspektive, oder was für opportunistische PM-Nomaden, die sich so manchmal Projektleiter nennen…
Zeit für Projektmanagement haben
Ein weiterer, häufiger Faktor als Ursache für Projekte in Schieflagen ist die Zeit. Damit meine ich weniger die Dauer, die dem Projekt zur Ausführung gegeben wird. Die sollte eigentlich immer realistisch bemessen sein, nicht durch Wunschdenken oder willkürlich festgelegt. Das heißt, sie muss auf realistischen Schätzungen der ausführenden Mitarbeiter unter Berücksichtigung der Abhängigkeiten und Rahmenbedingungen basieren. Damit fällt „Dauer“ für mich unter die Rubrik „Mensch“, also ob der Projektleiter einen kompetenten Job macht.
Vielmehr habe ich jetzt die Zeit im Auge, die dem Projektmanagement eingeräumt wird. Schaut man sich viele Projektbudgets an, so taucht diese Position oft deutlich zu schmal kalkuliert oder sogar gar nicht auf. So als könne man diese Aufgabe mit billigen Kräften und/oder mal eben so nebenbei erledigen – so entstehen teure Projekte !
Tatsächlich zeigen einige Statistiken, z.B. die auf https://eobz.de/?p=852, dass viele Projektleiter nur einen Bruchteil ihrer Arbeitszeit wirklich mit Projektmanagement verbringen. Der Großteil hingegen geht in Tätigkeiten wie Business Development, technische Ausführung, Linienaufgaben usw. Der Grund liegt zumeist in der Art und Weise, wie das Unternehmen Projektmanagement „macht“, aber oft auch im Selbstverständnis der Projektleiter, wie ich es unter „Mensch“ beschrieben habe. Wenn alles andere aber wichtiger ist als Projektmanagement, dann muss man sich über miserable Projekt-Performance nicht wundern.
Zeit für das Projekt haben
Die Zeit für Projektmanagement kann für den Projektleiter natürlich auch deshalb knapp bemessen sein, weil er mehrere Projekte gleichzeitig betreuen muss. In kleinen und mittelgroßen Unternehmen ist das wohl sogar der Normalfall. Das mag akzeptabel sein, wenn sich die Projekte in verschiedenen Phasen mit unterschiedlichem Bedarf an Aufmerksamkeit und Kommunikation befinden. Grundsätzlich – auch das belegen viele Studien – ist Multitasking aber durch das ständig wiederholte Sich-wieder-hinein-denken-Müssen sehr ineffizient, kostet also mehr Zeit, Geld und Risiko als konzentrierte Arbeit in nur einem Projekt.
Je mehr Leute im Team zusammen arbeiten, desto höher ist der Kommunikations- und Koordinationsbedarf schon in einem einzelnen Projekt, wenn dieses effektiv und effizient laufen soll, und Projektmanagement ist ein Fulltime-Job. Da macht es auch Sinn, sich bei hohem Projektanfall personell zu verstärken, sei es mit eigenen, gut ausgebildeten Projektmanagern oder mit Externen. Denn je besser oder weniger sich der Projektmanager um sein Projekt kümmern kann, desto besser oder schlechter wird es laufen. Eigentlich logisch, oder?
Aber hier sind wir schon bei der Einbettung der Projekte in die Unternehmens-Organisation und die Unterstützung durch das Management, dem Brennpunkt, warum Projekte schiefgehen, den ich als nächstes näher betrachten werde.
Projekte und Linie in Konkurrenz
Hätten Sie’s gedacht? Mehr als die Hälfte aller Schieflagen von Projekten haben ihre Ursachen nicht im Projekt selbst! Man kann dort also wohl an den Symptomen kurieren und sanieren, aber bei nächster Gelegenheit wird es wieder zu Problemen kommen.
Klassisches Beispiel: Der Projektmanager sucht Ressourcen für sein Projekt, bekommt aber nicht genügend und nicht die, die er von den Skills her braucht, sondern die gerade frei sind. Das sind dann oft nicht die Guten, denn die werden ja für Linienaufgaben gebraucht. Und wenn dort viel zu tun ist, werden auch den anderen wieder neue Prioritäten gesetzt…
Der überwiegende Teil der Projektprobleme entsteht also aus einer mangelhaften Unterstützung durch die ausführende Organisation, was wiederum in der Projektkultur, dem Mindset des Managements und der etablierten Organisationsstruktur begründet ist.
Wo Abteilungen oder Werke ergebnisverantwortlich sind, werden übergreifende Projekte immer an zweiter Stelle kommen. Dumm nur, wenn das Unternehmen sein Geld sogar mit Projekten verdient, wie etwa in IT, Beratung, Maschinen- und Anlagenbau usw. Dann sind vielfach die Geschäftseinheiten recht profitabel, die Kundenprojekte aber nicht. Ich habe hier schon so oft Top-Qualität geliefert gesehen, nur halt nicht zum vereinbarten Meilenstein und im kalkulierten Budget.
Mangelhafte Projektmanagement-Organisation und Infrastruktur
Kein Projekt kann ordentlich performen, wenn es permanent Ressourcenprobleme bekommt, wenn die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team, zwischen Team und Organisation und zwischen den Abteilungs-Silos untereinander – weil ungewohnt – nicht funktioniert, oder wenn die Kompetenzen des Projektmanagers nicht seiner Verantwortung entsprechen.
In vielen Unternehmen fehlen zudem eingespielte, schnell greifende Prozesse für Entscheidungen, Eskalation, Risiko- und Change-Verfolgung usw. Manchmal ist nicht einmal eine ausreichende Infrastruktur für Projektarbeit wie z.B. Standards, Prozesse und Werkzeuge vorhanden. Ganz auf sich gestellt gleicht der Projektmanager dann einem Don Quixote, ist die Motivation für engagierte Projektarbeit bei den Mitarbeitern im Souterrain und sind die Projektergebnisse entsprechend unbefriedigend.
Hausaufgaben machen !
Bevor man im Management also den Projektmanager eines Krisenprojekts zum Sündenbock macht, sollten Executives ihre ureigenen Hausaufgaben machen und kritisch prüfen, ob Projekte im Unternehmen die Rahmenbedingungen finden, um erfolgreich zu sein. Wenn das Geschäftsmodell dann noch projekt-getrieben ist, bergen weitergehende Überlegungen (vergleichen Sie https://eobz.de/?p=2140) zusätzlich enormes strategisches Potenzial.
Krisenursache Aufgabe
Gemeinhin wird der Aufgabe als Ursache für Probleme in Projekten ein großes Gewicht zugemessen. Wie sich das mit technischen Schwierigkeiten verhält habe ich ja schon anfangs erläutert. Vielfach spielen aber ganz andere Aspekte der Projektarbeit eine viel größere Rolle warum Projekte schiefgehen.
Abhängigkeit durch fehlendes internes Knowhow
Denken wir einmal an Projekte, deren Aufgabe außerhalb der Kernkompetenz des Unternehmens liegt, etwa ein IT-Projekt in einem Fertigungsbetrieb. Hier fehlt meist nicht nur das interne Knowhow über das Projektprodukt, sondern zusätzlich auch die Erfahrung im Umgang mit dem externen Lieferanten oder Beratungshaus. Das Projektmanagement wird mit dem Gewerk zusammen gekauft, und so liefert man sich allzu oft dem Lieferanten vollkommen aus, wenn man nicht auf der eigenen Seite einen guten Projektmanager als Regulativ hat.
Komplexität der Aufgabe
Oder sprechen wir einmal statt über technisches Neuland über die Komplexität des Projekts selbst. Da gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen zwischen Abteilungen (Stichwort abteilungsübergreifendes Arbeiten), Lieferanten und Unterlieferanten, alle mit eigenem Projektverständnis, Organisationsgrad und evtl. Zuverlässigkeit. In jedem Fall aber mit hohen Anforderungen an die Kommunikation und Koordination.
Vielleicht gibt es außerdem auch Abhängigkeiten von anderen Projekten und untereinander. In internationalen Projekten potenziert sich diese mögliche Fehlerquelle evtl. noch durch verteilte und/oder virtuelle Teams, kulturelle Unterschiede und Arbeiten über Zeitgrenzen hinweg.
Und dann gibt es noch einige wie die vielen prominenten Beispiele, wo die Komplexität noch zusätzlich durch Politik, Interessen und Einflussnahmen bis zur Absurdität getrieben wird…
Projekt-Erfolg liegt in Management-Hand
Ich sagte ja schon: Es gibt eine ganze Menge Parameter, die, mangelhaft gemanagt, schnell zu Projekten, die schief gehen, führen können, weil sie von den Projektverantwortlichen unterschätzt und vom Einkauf billig aber unterqualifiziert oder an wichtigen Stellen gar nicht besetzt werden. Letztlich liegt es aber – natürlich nicht ausschließlich – an den Personen in der Entscheider-Etage, wie sie die Rolle, die Projekte in ihrem Unternehmen spielen, sehen und wertschätzen, und wie sie die Regeln, wie Projekte in ihrem Unternehmen aufgesetzt, gestafft, durchgeführt und unterstützt werden, bestimmen. Ein schönes Beispiel, wie Unternehmenserfolg wirklich maßgeblich vom Management beeinflusst wird.