Gerade ist der PMI Global Congress EMEA in Marseilles zuende gegangen – wieder ein spannendes Ereignis und Highlight in der Projektmanagement-Welt. Natürlich gab es für den interessierten Zuhörer wieder eine Menge hochklassiger Vorträge, darunter auch die bevorstehenden Änderungen an den kommenden PMI-Standards und viel Information über die aktuellen “Strömungen” im Projektmanagement. Hier ein kurzer Überblick über das Wichtigste:
Im Februar/März waren die Exposure Drafts der neuen Standards Editionen online zu begutachten, bis zum Ende dieses Jahres werden sie wohl veröffentlicht werden und gelten dann voraussichtlich ab Herbst 2013 als Prüfungsgrundlagen. Allen gemeinsam ist eine weiter verbesserte Harmonisierung zu einer einander ergänzenden Standards-”Familie” mit konsistenter Terminologie und Prozess-Logik.
Beim PMBoK 5th Edition ist das Kapitel 3, in dem die Prozesse, Prozessgruppen und ihre Interaktionen als Übersicht dargestellt werden, in den Anhang gewandert. Dafür ist nun eine neue Knowledge Area “Stakeholder Management” (Ch. 13) hinzugekommen, d.h. die Autoren folgen weiter der Notwendigkeit aus dem Projektalltag, die Soft Skills zu verstärken. Sie haben mit der Herauslösung der entsprechenden Prozesse aus dem Communications Management sowie der Übertragung großer Teile dieses Wissensgebietes aus dem Program Management Standard der nicht ganz neuen Erkenntnis Rechnung getragen, dass sich Projekte nicht im “luftleeren Raum” abspielen, sondern eng mit der durchführenden Organisation und deren Umfeld verwoben sind.
Eine weitere auffallende Veränderung ist, dass jetzt alle Knowledge Areas einen eigenen Planungsprozess haben werden. Es war nicht wirklich verständlich, warum Scope, Schedule und Cost ihre Planung “on the fly” bei 4.2 Develop Projekct Management Plan im Integration Management erfuhren. Jetzt dient dieses Kapitel richtigerweise vornehmlich dazu, die Planungen aus den Wissensgebieten zusammenzuführen und zu integrieren.
Beim Standard für Program Management 3rd Edition wurde besonders das Framework überarbeitet, mit dem die beiden Lebenszyklen von Programm und Benefits-Erzielung miteinander agieren. Dies ist wohl der Revison der Role Delineation Study im vergangenen Jahr geschuldet, durch die die Domains und Tasks aus dem Credential Handbook sich nicht mehr konsistent mit der Aufteilung im Standard deckten. Auch die Prozesse, die die Ausführung von Programmen im Organisationskontext unterstützen, wurden komplettiert und machen nun die Umsetzung unter Nutzengesichtspunkten verständlicher.
Auch beim Standard für Portfolio Management Nr.3 findet sich die Prozess-Übersicht jetzt im Anhang. Außerdem wurde er um 3 neue Knowledge Areas (Portfolio Strategic Management, Performance Management und Communications Management) erweitert, was nun auch dieses Buch deutlich dicker macht. Die Prozessgruppe Defining ist neu hinzugekommen, Monitoring & Controlling wurde umbenannt in Authorizing & Controlling.
Auch bei der 3. Auflage des Organizational Project Management Maturity Modells (OPM3), der voraussichtlich im Spätsommer im Exposure Draft vorliegen und Mitte nächsten Jahres veröffentlicht werden dürfte, gab es einige Umstrukturierungen und auch Neubearbeitungen, die vornehmlich der Harmonisierung mit den Standards und der einfacheren Anwendung dienen. Dabei wurde auch hier die Struktur der Standards mit Prozessen und ITTOs eingeführt.
Ab Spätsommer 2013 wird es zum PMBoK auch eine Software Extension geben, also eine Branchen-Erweiterung ähnlich wie schon für das Bauwesen und Government vorliegend. Interessant wird sein, wie hierbei die Brücke zwischen den traditionellen, planerischen und neuen, iterativen Ansätzen geschlagen wird. Die Erweiterung wird eine Beschreibung eines agilen Ansatzen beinhalten, aber kein Standard für Agile sein. Vielmehr wird sie sich in die Standards-Familie einfügen und auf dem PMBoK aufbauen.
Und schließlich wurde in vielen Vorträgen auf dem Kongress deutlich, wie sich die Rolle des Projektmanagers und des Projektmanagements selbst im Kontext der organisationalen und wirtschaftlichen Umgebungen verändert. Das Thema Compliance ist sicher eines, das sich an vielen Stellen in den Standards wiederfinden wird. Ganz signifikant war aber vor allem die zunehmende Bedeutung von Benefits, Value und Alignment auch für das Projektmanagement. Dass Projekte und Programme Business Value erzeugen und mit den Unternehmenszielen abgestimmt sein sollen, kannte man bislang aus dem Programmmanagement. Schon beim Polnischen Kongress 2009 in Warschau und beim Chapter Meeting der PMI Local Group in Hamburg 2010 hatte ich diesen Ausblick für das Selbstverständnis und Berufsbild von Senior-PMs gegeben, jetzt ist das Thema der Hype auf dem EMEA-Kongress bei der Diskussion um die Zukunft unserer Profession gewesen.
Der nächste PMI EMEA-Kongress wird übrigens im April 2013 in Istanbul stattfinden – ich freue mich schon darauf !